Lokaler SVP-Politiker im Sperrfeuer der Sensationspresse

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Lokaler SVP-Politiker im Sperrfeuer der Sensationspresse

BLAULICHT vom 25.11.2019

Das sifa-Blaulicht dokumentiert exklusiv Fälle von Kriminalität und Gewalt sowie deren Behandlung durch Gerichte und Behörden.

Zweifelhafte Vorverurteilung

Lokaler SVP-Politiker im Sperrfeuer der Sensationspresse

von Anian Liebrand, Geschäftsführer sifa – SICHERHEIT FÜR ALLE

Der «SonntagsBlick» will am 10. November 2019 aufgedeckt haben, dass ein lokaler SVP-Politiker im vergangenen April am Rande einer linken Demo ein Transparent entwendet einem linken Aktivisten Pfefferspray ins Gesicht gesprüht habe. Der zum Skandal aufgebauschte, scheinbar glasklar belegte Sachverhalt erscheint mittlerweile in einem ganz anderen Licht. Ein Zeuge entlastet den SVP-ler – und ein der sifa zugespieltes Video dokumentiert, dass die Gewalt vorwiegend von linken Demonstranten ausging.

In welchem Kontext steht die gross aufgemachte «SonntagsBlick»-Enthüllung, die von zahlreichen anderen Medien weiterverbreitet wurde? Die Geschichte reicht Monate zurück. An der Schwyzer Fasnacht 2019 verkleidete sich eine Gruppe von jungen Männern in Kutten des rassistischen amerikanischen Ku-Klux-Klans und zog mit Fackeln durch die Strassen von Schwyz. Die danach kursierenden Videos und Fotos dieser widerlichen Provokation, die mit dem Geist der Fasnacht wahrhaft nichts zu tun hat, lösten in der ganzen Schweiz breites Entsetzen aus. Rasch wurde spekuliert, wer wohl hinter dieser Aktion steckt. Die Polizei startete Ermittlungen und klärte ab, ob die Ku-Klux-Klan-Aktion auch strafbar gewesen sei.

Scharmützel an Linken-Demo

Linke Kreise und einige Medien haben den Vorfall zum Anlass genommen, um Stimmung zu machen und dem Kanton Schwyz ein generelles Rechtsextremismus-Problem zu unterstellen. Der Regierungsrat und der Gemeinderat von Schwyz bestritten die Vorwürfe vehement. Am Samstag, 13. April 2019 fand in Schwyz eine Protest-Demonstration unter dem Motto «Schwyz ist bunt – zusammen gegen Rassismus» statt. Mehrere hundert Personen haben teilgenommen, viele davon sind aus der ganzen Schweiz angereist.

Am Rande dieser Demo ist es zu Scharmützeln zwischen Demonstrierenden und am Strassenrand stehenden Personen gekommen. An diesen massgeblich beteiligt soll laut «SonntagsBlick» ein Vorstandsmitglied einer Schwyzer SVP-Sektion gewesen sein. Er soll sich inmitten eines Pulks von Neonazis bewegt und Pfefferspray eingesetzt haben – dazu habe er den Linken sogar noch ein Transparent gestohlen und dieses einer rechtsextremen Gruppe weitergegeben. Happige Vorwürfe, welche in mehr oder weniger allen Schweizer Medien, die Rang und Namen haben, grossen Widerhall fanden.

Das Echo liess nicht lange auf sich warten. Die SVP des Kantons Schwyz habe ein offensichtliches «Naziproblem», donnerte es durch den Blätterwald. Es sei halt klar, dass die SVP mit ihrer Politik Rechtsextreme anziehe. Die SVP habe sich gefälligst von solch «braunem Gesindel» zu distanzieren, setzten sich wohlwollend interviewte Linkspolitiker in Szene. Das Urteil schien sofort gefällt zu sein, obwohl selbst der «SonntagsBlick» zugeben musste, dass sich der Transparent-Diebstahl nicht erhärtet und auch das vermeintliche Pfefferspray-Opfer keine Strafanzeige eingereicht habe.

Zeuge wendet das Blatt

Das betreffende SVP-Mitglied, das sich bisher weder in der Partei noch strafrechtlich je etwas hat zuschulden kommen lassen, legte kurz darauf alle Ämter nieder und verliess die Partei – nicht als Schuldeingeständnis, sondern mit dem ehrenhaften Beweggrund, die Schmutz-Attacken von der SVP fernzuhalten. Ein paar Tage später meldete sich bei «20 Minuten» ein Zeuge, der die tendenziöse Menschenhatz des «SonntagsBlicks» alt aussehen liess. Er habe, so der Zeuge, den Pfefferspray-Vorfall nämlich genau beobachten können. Nicht der SVP-Politiker, der die linksradikal geprägte Demo von aussen beobachtet hat, sondern ein «Rastaträger» habe Radau gemacht und Zuschauer am Strassenrand beleidigt und angepöbelt.

Ein in den sozialen Medien kursierendes Video, das der sifa zugespielt wurde, bestätigt diese Sichtweise. Die Aufnahmen dokumentieren deutlich, dass schwarz gekleidete und teils vermummte Personen aus dem Kreis der sog. «Antirassismus-Demo» die Zuschauer am Strassenrand körperlich angegriffen haben. Sie haben Pfefferspray und Schlag-Utensilien verwendet – sogar Glasgeschosse wurden geworfen. Immer wieder schreien sie martialisch: «Antifa heisst Angriff». Auch ist der erwähnte «Rastaträger» im Video zu erkennen, wie er herumpöbelt und provoziert.

«Wollte Zuschauer schützen»

Der kritisierte ehemalige SVP-ler erklärte gegenüber «20 Minuten»: «Einige Demonstrationsteilnehmer, unter anderem der Schwarze Block, griffen die Zuschauer – darunter waren Rechtsextreme, aber auch Familien und Senioren – tätlich an. Nicht weil ich mich konkret bedroht fühlte, sondern weil ich die anderen Zuschauer schützen wollte, habe ich in der Aufregung zum Pfefferspray gegriffen.» Die Vorwürfe gegen ihn seien haltlos, was gestützt wird durch den Umstand, dass gegen den Mann kein Strafverfahren eröffnet wurde.

Moralischer Freispruch

Zudem brisant: Die Staatsanwaltschaft entlastete den Mann auch in einem weiteren Punkt. Es habe im Rahmen der Ermittlungen «keine Hinweise auf eine Zugehörigkeit des besagten Mannes zur Neonazi-Szene» gegeben. Kann es sein, dass er womöglich einfach – wie andere Passanten auch – zwischen «den falschen Leuten» gestanden und ihm eine instinktive, aber im Grunde fürsorglich motivierte Handlung zum Verhängnis geworden ist?

Die Zeugenaussage und die Videobeweise kommen zwar einem moralischen Freispruch gleich. Die Freude darüber mag sich beim jungen Schwyzer aber in Grenzen halten. Die Rufmord-Guillotine schnallte längst herunter – und die Ringier-Presse korrigierte ihre Anwürfe bis heute nicht. Die Geschichte ist ein weiteres Lehrbeispiel für politisch motivierten Kampagnen-Journalismus. Trotz neuer Erkenntnisse bleibt der Schmutz am jungen Mann hängen, der Schaden ist angerichtet.

Auf zur nächsten Story, wird es in der «Blick»-Redaktion heissen. The show must go on.